Lukas de Rougemont, Präsident

Eröffnungsrede 2023

Sehr geehrte Delegierte von swisssem, werte Vorstandskollegen, liebe Ehrenmitglieder, werte Vertreterinnen und Vertreter aus den verschiedenen Vermehrungsorganisationen und dem Handel, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aus den Partnerorganisationen und den Bundesstellen, werte Anwesende der Revisionsstelle und der Presse, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich möchte Euch recht herzlich begrüssen zur diesjährigen 101. Delegiertenversammlung von swisssem. Es freut mich, Euch so zahlreich hier in Murten begrüssen zu dürfen.

Nachdem wir die letzten beiden Delegiertenversammlungen aufgrund der bundesweiten Einschränkungen während der Coronapandemie leider auf dem Korrespondenzweg haben durchführen müssen, freut es mich umso mehr, dass wir uns nun zur diesjährigen Versammlung wieder uneingeschränkt, an unserer gewohnten Örtlichkeit, versammeln dürfen. Die ausserordentliche Lage im Zeichen der Bewältigung der Coronapandemie hat so manche Gewohnheit durcheinandergebracht. Unter anderem sind leider auch unsere Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen unseres Verbandes letztendlich definitiv ins Wasser gefallen. Das ist bedauerlich, weil es eine ausgezeichnete Gelegenheit gewesen wäre, unseren Verband und unsere Arbeit nach aussen hin zu präsentieren – Schade!

Weltpolitisch ist im vergangenen Jahr bedeutendes passiert, darunter einige schwierige Themen, die wir bewältigt haben, oder noch vor uns her wälzen. Corona hat uns eine lange Zeit in Atem gehalten. Doch die einst vorherrschende Angst vor diesem Virus ist mittlerweile anderen Ängsten gewichen. Die weltweite Teuerung mit damit einhergehenden Existenzängsten, die Teuerung, oder ebene auch die Angst vor einem 3.Weltkrieg beunruhigen die Menschen sehr.

Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ostukraine im Februar vergangenen Jahres haben wir leider wieder Krieg auf europäischem Boden. Ein Krieg der Menschenleben fordert, ein wunderbares Land und ihre Infrastruktur zerstört und viele Menschen traumatisiert. Das geschieht unweit von uns in einem Land, aus dem eigentlich «Milch und Honig fliessen» würde, einem der bedeutendsten Getreideexportländer der Welt. Wir konnten im letzten Jahr miterleben, wie im Zuge dieses Konfliktes die Weltmärkte für Agrar- und auch andere Rohstoffe verrückt spielten. Man wurde sich den Abhängigkeiten wieder neu bewusst. Unter anderem auch die Abhängigkeit Westeuropas von den Ressourcen Russlands – vor allem dem Gas. Gleichzeitig belegte man ebendieses Land mit Sanktionen als politische Antwort auf den Einmarsch. Die Gaslieferungen aus Russland wurden daraufhin gedrosselt was beispielsweise die Stickstoffdüngerproduktion in Europa über Monate fast gänzlich zum Erliegen brachte und die eh schon hohen Düngerpreise geradezu explodieren liessen. Schmerzhaft mussten wir davon Kenntnis nehmen. Die Teuerung des Düngers ist aber nur ein Beispiel aus der Gruppe der Vorleistungen, die der Schweizer Landwirt zu stemmen hat, die Teuerung auf den Investitionsgütern waren ebenfalls enorm (Gebäude, Maschinen, laut Agrarbericht des Bundes beläuft sich die Teuerung 22 der Landwirtschaft auf über ca 634 Millionen Fr.). Kein Wunder wird auf allen Stufen emsig für kostendeckende Preise verhandelt.

Die Schweizer Landwirtschaft sieht sich aber nicht nur mit einer massiven Teuerung konfrontiert, sie steht auch durch unsere Agrarpolitik zunehmend unter Druck. Mit der Sistierung der AP 22+ und der in Kraft getretenen Bestimmungen aus der Parlamentarischen Initiative (19.475) wird der Landwirtschaft geradezu ein Korsett an neuen Zwängen aufgebürdet. Die sog. Absenkpfade wurden geschmiedet und gesetzlich verankert. Einschneidende Nährstoffreduktionsziele, Schleppschlauch -Obligatorium, Massnahmen gegen Abdrift und Abschwemmung, Streichung von Pflanzenschutzmittel mit erhöhtem Risikopotential, neue Sonderbewilligungsregelungen sind einige Beispiele aus einem ganzen Katalog von komplexen neuen Vorschriften. Und dann diese unsägliche Pflicht, im ÖLN neu 3.5% Biodiversitätsförderfläche (BFF) auf Ackerflächen in Form von Säumen, Brachen und / oder Getreide in Weiten Reihen erfüllen zu müssen. Wenn es freiwillig bliebe, dann in Ehren, aber durch die Koppelung an den ÖLN verlieren wir nicht nur wertvolle Produktionsgrundlage, sondern ein weiteres Stück freiheitliches Handeln.

Die Schweiz ist mit nur 4.5Aren Ackerfläche/Kopf europaweites Schlusslicht, weltweit an 150. Stelle von 191 Ländern (unter den Wüstenstaaten oder Fischernationen angesiedelt). Fruchtfolgeflächen sind in der Schweiz ein enorm knappes Gut! Es stösst bei mir auf Unverständnis, wenn in der gegenwärtigen Epoche, in der ein reger Wettbewerb um die Schweizer Ackerflächen besteht, teile ebendieser Flächen der Produktion entzogen werden und sich der Selbstversorgungsgrad unnötig senkt.

Es wird deutlich: Unsere Agrarpolitik ist Spielball eines politischen Seilziehens. Es geht um Mehrheiten in den Räten, manchmal um hauchdünne Zufallsmehrheiten, wie gerade eben in der abgelehnten Motion Rieder. Dieser Tatsache müssen wir uns stellen, ob wir wollen, oder nicht. Ändern können wir diesen Umstand nur an der Wahlurne, oder allenfalls mittels Referenden. Wir sind für die professionelle und sehr erfolgreiche politische Arbeit des schweizerischen Bauernverbandes sehr dankbar und unterstützen diesen auch weiterhin in ihren Belangen.

Trotz aller ihrer Bemühungen geht die Reise momentan – scheinbar ungebremst – in eine extensive Richtung, sehr zu Ungunsten von uns Ackerbau- aber auch den Gemüsebaubetrieben. Als Saat- und Pflanzgutproduzenten gehören wir übers Ganze gesehen eher zur Gruppe mit der intensiven Anbauform, mit eher geringer Kompromissbereitschaft punkto Kulturführung. Unkrautfreie Bestände ohne Durchwuchs sind unsere Basis. Wir wissen, dass nur gesunde Pflanzen gesundes Saatgut ergeben, eine vernünftige Schädlingsregulierung die Qualität sichert und wir streben guten Ausbeuten an. Das ist unser Programm, das ist unsere Qualitätsstrategie, das sichert unsere Wirtschaftlichkeit und die unserer ganzen Wertschöpfungskette.Unsere Vermehrungsorganisationen rechnen mit planbaren Einlieferungen durch uns, in möglichst konstanter Qualität. Nur so können sie wiederum ihre Kunden zufriedenstellend beliefern.

Als Saat- und Pflanzgutproduzenten sind wir es gewohnt, in die Zukunft zu denken. Wir denken in Generationen, denken an das Saatgut von Morgen und damit ans Brot von übermorgen. Eine gute Zusammenarbeit in dieser kleinen Schweiz ist für swisssem wichtig. Ich bin überzeugt, die Zeit arbeitet für uns Bauern, für die Nahrungsmittelproduktion, dafür braucht es Saatgut, dafür braucht es Pflanzenzüchtung. Der Nahrungsmittelproduktion kann vielleicht mal regional kurzfristig ihre Wichtigkeit durch irgendwelche Wohlstandsverwöhnung aberkannt werden, aber niemals dauerhaft und schon gar nicht global.

Denn pro memoria: Am 15 November 2022 in aller Früh ist in Hamburg «Liam Raphael» geboren. Er könnte rechnerisch der 8 Milliardste Mensch auf der Erde sein. Ruft das in Euch wohl ein Seufzen, oder eher Freude aus? Ich bin klar fürs Freuen zusammen den Eltern! Befreien wir uns doch zumindest Heute von den dunkeln, apokalyptischen Gedanken, die uns oftmals von den Medien eingetrichtert werden.

So, in meiner Standortbestimmung bin ich vor lauter Herausforderungen gar nicht erst fertig geworden, es gäbe noch so viele! Aber da habe ich ja vielleicht an einer nächsten DV wieder die Gelegenheit, andere Themen zu vertiefen. Halten wir unterzwischen unsere Ohren steif, lassen wir die Klimaaktivisten ruhig an der Strasse kleben, und lassen Sie sich – verehrte Zuhörerin und verehrter Zuhörer – nicht ihre gute Laune verderben!

Hiermit eröffne ich die 101. Delegiertenversammlung – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.